Bericht über die Eutiner Theatersaison im Winter 1784/85

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Theaterwesen zu Eutin.

In dieser Residenz des Bischofs von Lübek, spielt gewöhnlich vom 31. October jedes Jahres bis gegen den Schluß der Fasten eine herumreisende Truppe. Diese wird dergestalt engagirt, dass sie wöchentlich drey Vorstellungen nemlich Montag, Dienstag und Freytag giebt. Dafür erhält dieselbe vom Hof wöchentlich hundert Thaler Hamburger Courant an baarem Gelde, das Fürstliche Komödienhaus, Feuerung, Beleuchtung, und | was auf dem Theater sonst aus Küche und Keller gebraucht wird, frey. Ueber dieses genießt die Gesellschaft auch Einnahme vom Publikum, die zwar nicht erheblich ist, aber doch wöchentlich immer zwischen 30 und 60 Thl. beträgt. Das Orchester bezahlt die Gesellschaft, und auch die Dekorationen werden aus der Kasse der Gesellschaft bestritten. Vom Oktob. 1784 bis zu den Fasten 1785 war die Fürstliche Conceßion der Truppe ertheilt worden, die größtentheils ein Ueberbleibsel der ehemaligen Abtischen Gesellschaft ist. Sie besteht aus folgenden Mitgliedern: Herr und Madam Ernst*, Hr. und Mad. Rathje, Hr. und Mad. Schaffner, Hr. und Mad. Buchard, Dem. Paul*, Hr. Wagner, Hr. Heintze*, Hr. Pauli*, und Einhelfer Hr. Gierschick*, einem Theatermeister*, Friseur und Schneider*, welche letztere dreye auch kleine Flick- und Nebenrollen besetzen. Zwölf Mitglieder dieser Gesellschaft gehen wöchentlich in gleiche Theile der Einnahme vom Hof und Publikum; die übrigen erhalten festgesetzte wöchentliche Gagen, von drey, vier und fünf Thalern*. Die Mitglieder von gleichen Antheilen bestreiten ihre Garderobe selbst; denen, die auf festgesetzten Gagen stehen, wird sie gegeben. Jene, welche die Einnahme theilen, theilen auch die Direktionsgeschäfte, und jeder besorgt ohne Kränkung das ihm angewiesene Fach. Dem, der die Kasse und deren Berechnung auf sich hat, sind noch zwey andere hierzu bestimmte Mitglieder zugeordnet, ohne deren Gegenwart die Kasse nicht geöfnet und von ihrem Vorrathe nichts verausgabet werden kann, und Abends wechseln bey der Einnahme noch zwey besondere Aufseher mit einander ab. Diese ökonomische Einrichtung ist hier immer noch von gutem Erfolg gewesen; selten entstehen Zwistigkeiten und wenn ja, wie das beym Theaterwesen nicht anders möglich ist, so | sind sie doch gleich wieder beygelegt, und wirken nie bis auf den innern Grund des Ganzen. So klein diese Truppe, so dürftig ihre Einnahme ist, so ist sie doch sehr thätig und fleißig. Sie giebt für diese mäßigen Einkünfte nicht nur Trauer- und Lustspiele, sondern auch Operetten und Ballets, und beschämt durch so mannichfaltige Vorstellungen für so weniges Geld, manche andre Truppen, die in ihrem einzigen Fache, für so vieles Geld, doch ihre Schuldigkeit nicht thun. […] | […] | | […] | […] Ganz vorzüglich eingerichtet und gut besetzt aber ist das Orchester. Herr Weber, Fürstlich Lübeckscher Kapellmeister, ein geschickter und überaus thätiger Mann dirigirt dasselbe und hat dabey zwey sehr brauchbare Söhne zur Seite, die ihm treulich beystehen, das Orchester ist zwar klein, aber Kenner haben dasselbe dem Hamburger Theaterorchester vorgezogen und loben besonders | die Aufführung der Operetten, wobey sowohl in Ansehung des Unterrichts der Schauspieler als der Anführung des Orchesters das gröste Verdienst Herrn Weber zufällt. Endlich ist noch von dieser Truppe als eine gute Haupteigenschaft zu rühmen, daß sie sehr auf Ordnung hält, keine Schulden hat, jedermann gleich und richtig bezahlt und sich immer sehr vernünftig und still beträgt. Ein Vorzug, der sie über manche große und kleine Truppe in Deutschland exemplarisch erhebt.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Ziegler, Frank

Überlieferung

  • Textzeuge: Ephemeriden der Litteratur und des Theaters, Jg. 3, Nr. 8 (25. Februar 1786), S. 115–121

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Mitgliedern: Herr und Madam Ernst“Jakob Josef Ernst und Ehefrau Johanna, geb. Mangold.
    • „… Mad. Buchard , Dem. Paul“Sophia Pauly.
    • „… Hr. Wagner , Hr. Heintze“Carl Wilhelm Heinze (um 1765‒1809).
    • „… Hr. Heintze , Hr. Pauli“Carl Matthias Pauly (geb. 1756).
    • „… , und Einhelfer Hr. Gierschick“Johann Wenzel Gierschick aus Böhmen.
    • „… Hr. Gierschick , einem Theatermeister“Hr. Trethe oder Tede.
    • „… Theatermeister , Friseur und Schneider“Hr. Knirim.
    • „… drey, vier und fünf Thalern“Zur Organisation der Gesellschaft ohne feste Direktion (G. H. Rathje fungierte lediglich als „Geschäftsbesorger“) vgl. auch den Bericht im Theater-Kalender, auf das Jahr 1786, Gotha [1785], S. 208‒211 (dort ist F. A. von Weber bereits unter den Abgängen erwähnt, vgl. S. 210).

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